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  Musiker-Board 09.01.2010
  Guitarworld.de 09.01.2010
  MusikerEcke.com 09.01.2010
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  Forum des Musikinstrumentenmuseums Markneukirchen 09.01.2010

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Die Ost-Gitarre am Beispiel von Musima und Migma

Einleitung

"Vintage", diesem Schlagwort laufen heute viele Musiker quasi blind hinterher, verbinden sie damit doch qualitativ hochwertige Elektrogitarren. Anfänglich wurden mit diesem Begriff nur Instrumente weniger amerikanischer Hersteller (hauptsächlich "Gibson" und "Fender") aus bestimmten Jahrgängen bezeichnet. Seit man jedoch festgestellt hat, daß man mit diesem Begriff schnell und viel Geld verdienen kann, wird fast jede etwas ältere Elektrogitarre pauschal als "vintage" bezeichnet. Selbst relative junge Instrumente, die in den 90er Jahren in Korea oder gar noch später in Indonesien produziert wurden, werden manchmal mit diesem Begriff beworben.

"Vintage ist alt, alt ist gut und gut ist teuer!" Getreu diesem Motto findet auch so manche "Gurke" seinen Weg zu einem unbedarften Musiker, der häufig nicht Willens oder in der Lage ist, die Spreu vom Weizen zu trennen. Gerade wenn ein Instrument nicht mit Fakten, sondern mit puren Begrifflichkeiten beworben wird, sollte man also sehr vorsichtig sein! Dieses gilt besonders für Hersteller, dessen Namen man bisher noch nicht kannte.

Reduziert man den Begriff "vintage" auf "alt", so wird das potentielle Angebot schlagartig unermeßlich groß. Die entsprechenden Instrumente aus dem Mutterland der Elektrogitarre sind heute vielfach nicht mehr bezahlbar, so denn überhaupt eines angeboten wird. Aus diesem Grunde haben sich viele Sammler anderen Herstellern zugewendet. Hier sind natürlich zunächst die großen japanischen Hersteller aus den 70er und 80er Jahren gemeint. Aber auch in Europa findet sich eine große Anzahl von Herstellern, die eine ganze Reihe von interessanten Instrumenten produziert haben.

Schaut man sich den Ruf und die Reputation der verschiedenen Hersteller an, so ist ein eindeutiges Ost-West-Gefälle festzustellen. Zu den amerikanischen Produkten ist da nicht viel zu sagen. Die sind einfach "top"! So sagt man jedenfalls. Dagegen schneiden die westeuropäischen Hersteller schon deutlich schlechter ab. Aber eine "Burns" aus Großbritannien wurde damals auch nicht verachtet. In der Bundesrepublik Deutschland hatten "Framus", "Höfner", "Hoyer" und andere teilweise durchaus hochwertige Instrumente im Angebot. Bei vielen Musikern hieß es damals aber trotzdem: "You'll never get famous with a Framus!" Markengläubigkeit ist also nicht eine Erfindung unserer Zeit!

Aber auch hinter dem eisernen Vorhang begannen sich die Menschen für die Beat- und Rock-Musik zu interessieren, sehr zum Leidwesen der damaligen Machthaber, die darin häufig einen imperialistischen Angriff auf den real existierenden Sozialismus vermuteten. Außerdem war man der Meinung, daß diese Art der Musik nicht in das Bild einer "allseitig gebildeten sozialistischen Persönlichkeit" paßte und reagierte teilweise sogar mit Verboten und Repressalien gegenüber Musikern und Fans. Mit dem wachsenden Erfolg dieser neuen Musik entstand jedoch auch in Osteuropa der Bedarf nach den notwendigen Musikinstrumenten und technischen Gerätschaften. Da ein Import westlicher Instrumente nicht nur verpönt, sondern in der Regel einfach aus finanzieller Sicht nicht möglich war, begannen die lokalen Hersteller schon früh damit, entsprechende Instrumente selber zu produzieren.

Genau wie die frühen japanischen Hersteller orientierten sich auch ihre osteuropäischen Kollegen an den Modellen aus Großbritannien und den USA. Allerdings übertrieb man es auch nicht, um die Produkte des Klassenfeindes nicht unnötig aufzuwerten. Eine Kopierwelle, wie sie in Japan in den frühen 70er Jahren auftrat, findet man in Osteuropa also nicht. Hier legte man deutlich mehr Wert auf eine gewisse Eigenständigkeit!

Unter allen östlichen Elektrogitarren hatten die Instrumente aus der DDR bezüglich der Qualität den besten Ruf, gleichwohl sie in vielen Fällen nicht mit den westlichen Gitarren zu vergleichen waren. Viele Instrumente standen, allein aufgrund ihrer "klobigen" Handhabung, bei den Musikern in keinem besonders hohen Ansehen. Die ostdeutschen Hersteller aus Klingenthal und Markneukirchen produzierten hauptsächlich für den Export, um westliche Devisen zu erwirtschaften und so kam es, daß man die guten Instrumente zum Beispiel für kleines Geld im westdeutschen Versandhandel erwerben konnte, während die Musiker in der DDR sich mit den wenigen Instrumenten aus zweiter oder gar dritter Wahl begnügen mußten, die darüber hinaus auch noch sehr teuer waren und häufig nur unter dem Ladentisch gehandelt wurden.


1. Volkseigene Betriebe, Genossenschaften und freie Handwerker

Der Gitarrenbauer oder besser gesagt der "Zupfinstrumentenmacher" ist vom Grundverständnis her ein Handwerker. Wer selbstständig einen eigenen Betrieb führen und auch ausbilden will, der benötigt dazu in Deutschland auch heute noch einen entsprechenden Meistertitel. Aufgrund dieser Selbstständigkeit galten Gitarrenbauer in der DDR als Kapitalisten und in der Folge wurden viele ostdeutsche Firmen schon frühzeitig nach dem zweiten Weltkrieg enteignet und verstaatlicht oder zumindest teilweise unter staatliche Kontrolle gebracht. Die größeren Firmen wurden zusammengefaßt und so entstanden verschiedene volkseigene Betriebe (VEB). Sie befanden sich formaljuristisch im Volkseigentum, durften nicht verkauft werden und unterlagen der DDR-Staatsführung und damit direkt dem Einfluß der SED.

Die meisten kleineren Betriebe wurden Produktionsgenossenschaften des Handwerks (PGH) zugeordnet. Prinzipiell handelte es sich dabei um einen freiwilligen Zusammenschluß von Handwerkern oder Gewerbetreibenden, die in den entsprechenden Rollen eingetragen sein mußten. Ziel war es, eine erhöhte Rationalität und Effizienz gegenüber einer individuellen Produktion zu erreichen. In der sozialistischen Praxis blieben die betroffenen Betriebe zwar formal selbstständig, allerdings wurden sowohl die Entlohnung, als auch die Produktionsziele zentral festgelegt. Da die Handwerker mit diesem Verlust ihrer Selbstständigkeit nicht einverstanden waren, wehrten sie sich natürlich, konnten jedoch den staatlicherseits ausgeübten Repressalien in den meisten Fällen nicht standhalten. Übrig blieben lediglich eine handvoll kleiner Familienbetriebe, die ihre Eigenständigkeit zu bewahren suchten. Neugründungen waren seit den 60er Jahren unmöglich, da die entsprechenden Gewerbescheine nicht mehr vergeben wurden.

Musima

Von der Gründung bis zur Wende

1952 wurde im Vogtland die "Musima" als Treuhandbetrieb gegründet. Keimzelle des neuen Betriebes waren drei enteignete Firmen unter denen sich auch die Filiale der Firma "Roger" befand, dessen Besitzer Wenzel Rossmeisl 1951 wegen angeblicher Devisenvergehen zu vier Jahren Zuchthaus verurteilt worden war. Schon ein Jahr später wurde daraus der volkseigene Betrieb VEB "Musima Markneukirchen", der unter dem Namen "Musima" (Musikinstrumentenbau Markneukirchen) Musikinstrumente und Zubehör aller Art produzierte, zu denen später natürlich auch Elektrogitarren zählten.

Von 1963 bis 1967 wurde am Stadtrand in der Pestalozzistraße 25 eine neue Produktionsstätte errichtet, die wesentlich mehr Platz bot. Seitdem fungierte die "Musima" auch als Leitbetrieb für die Erzeugnisgruppe "Zupf- und Streichinstrumente".

Von Anfang an bestand das Ziel darin, hochwertige Instrumente zu günstigen Preisen industriell herzustellen. Dieser Ansatz war jedoch im Zusammenhang mit der Marke "Musima" - speziell in der DDR - kaum bekannt, da der überwiegende Teil der hochwertigen Produkte unter anderen Namen - manchmal auch namenlos - in das Ausland exportiert wurden.

Neben dem Hauptgebäude an der Pestalozzistraße, in dem die Serienfertigung von Instrumenten stattfand, besaß der Betrieb zahlreiche Außenstellen in den umliegenden Orten. Diese "Meisterbereiche" waren kleine Werkstätten, die früher einmal selbstständig gewesen waren und teilweise auf eine lange Tradition zurückblicken konnten. Hier wurden Musikinstrumente für den gehobenen Anspruch hergestellt.

Bild 1: Das Gebäude des VEB Musima Mitte der 60er Jahren und nach dem Konkurs 2004

Aufgrund der Größe der Firma - in Spitzenzeiten über 1200 Mitarbeiter - kann man "Musima", von Mitte der 60er Jahre bis hin zur Gründung der großen asiatischen Instrumentenhersteller Mitte der 70er Jahre, wohl weltweit als einen der größten Produzenten von Musikinstrumenten bezeichnen. Wie groß der Betrieb tatsächlich war, läßt sich erahnen, wenn man den Gebäudekomplex einmal aus der Höhe betrachtet:

Bild 2: Die Musima-Gebäude in Markneukirchen von oben (Quelle: Google-Maps 2009)

Von der Wende bis zum Ende

Nach der Wende wurde der volkseigene Betrieb als "Musikinstrumentenbau GmbH" weitergeführt. In dieser Zeit sank die Zahl der Beschäftigten auf 300 ab. Im Jahre 1992 erfolgte der Verkauf an zwei Investoren aus den alten Bundesländern, welche den Betrieb als "MUSIMA Musikinstrumenten Manufaktur GmbH" fortführten. Ab 1992 produzierte man für zwei Jahre mit einer ständig kleiner werdenden Belegschaft auch akustische Gitarren für den in den alten Bundesländern ansässigen Hersteller "Lakewood". Aber ganz augenscheinlich ging es den neuen Besitzern nicht um den Erhalt der Firma, sondern um den schnellen Profit.

Bekanntermaßen kam es nach der Wende zu einer ganzen Reihe von Unregelmäßigkeiten bei der Privatisierung der ehemaligen volkseigenen Betriebe, welche der Treuhandanstalt, angesichts der großen Menge an Firmen, fehlenden Kontrollmechanismen und permanentem Mitarbeitermangel, oftmals gar nicht auffielen. Üblicherweise wurde versucht, den gewünschten Betrieb deutlich unter seinem tatsächlichen Wert zu erwerben. Um die Arbeitsplätze weiter zu "erhalten", nahm man dann auch gerne diverse Fördergelder in Anspruch. Nach erhaltenem Zuschlag begann dann der Ausverkauf des Betriebes.

Am Ende blieb häufig eine wertlose Hülle zurück, die dann nur noch eliminiert werden konnte. Die Leidtragenden waren immer die Mitarbeiter, die ihren Arbeitsplatz verloren hatten und natürlich die gesamte bundesdeutsche Gesellschaft, die nicht nur die gewährten Förderungen abschreiben konnte, sondern darüber hinaus auch noch mit höheren Kosten für die Sozialkassen belastet wurde. Offensichtlich war die "Musima" im Begriff, ein solches Schicksal zu erleiden!

Das Ende aus der Sicht eines Mitarbeiters

Der folgende Abschnitt basiert auf den Aussagen, die von einem ehemaligen Mitarbeiter der "Musima" gemacht wurden. Sie sind also nicht als offiziell aufzufassen, sondern stellen unter Umständen eher eine private Sicht der Dinge dar, die auch nicht immer vollständig oder richtig sein muß.

Seit 1992 wurden notwendige Investitionen in der "Musima" nicht mehr vorgenommen. Statt dessen wurde der Firma das Kapital entzogen und ein rigoroser Sparkurs eingeschlagen, dem als erstes die Mitarbeiter zum Opfer fielen. In der Folge verringerte sich ihre Zahl bis 1997 auf 80 und es kam schlußendlich zur ersten Insolvenz.

Anfang 1998 bekundete ein amerikanischer Investor Interesse an einer Übernahme der "Musima". Er legte angeblich ein tragfähiges Konzept vor, welches innerhalb der nächsten vier Jahre eine Erhöhung der Beschäftigungszahl auf 150 Mitarbeiter vorsah. Die Finanzierung wurde durch die lokale Sparkasse abgesichert. Ein weiterer Interessent kam aus Cottbus. Sein Konzept soll jedoch nicht schlüssig gewesen sein und wurde mehrfach nachgebessert. Im Kern sah es eine weitere Verringerung der Belegschaft auf 33 Mitarbeiter vor. Interessanterweise zog die Sparkasse jedoch 14 Tage vor dem angesetzten Verkaufstermin ihre Finanzierungszusage für das amerikanische Konzept zurück und der Investor aus Cottbus erhielt den Zuschlag.

Über die Hintergründe dieser Entscheidung läßt sich jetzt trefflich spekulieren. Tatsache ist, daß der neue Besitzer der "Musima" vor der Wende Rat des Bezirkes, Abteilung Kultur war, eine Position, die innerhalb der DDR-Verwaltung schon recht hoch angesiedelt war. Hier wurden unter anderem die Spielerlaubnisse für die Musiker erteilt. Er stand schon damals, zum Zeitpunkt der Übernahme, in geschäftlicher Beziehung zu einem großen japanischen Hersteller, der ebenfalls Musikinstrumente produzierte.

Da die finanzierende Bank damals vermutlich auch (noch) nicht ganz frei von sozialistischen Altlasten war, liegt die Vermutung nahe, daß die Beziehungen über irgendwelche Seilschaften mit der geplatzten Finanzierung und dem darauf folgenden Zuschlag für den Cottbusser Investor eine Rolle gespielt haben könnten, der augenscheinlich schon vor dem offiziellen Verkaufstermin von seinem zukünftigen Erfolg Kenntnis hatte. Hierzu teilte der damalige Mitarbeiter fernmündlich mit:

...daß er schon Tage vorher im Betrieb umhergelaufen ist und erzählt hat, er hat die Firma gekauft!

Nach dem Verkauf wurde das neue Konzept konsequent umgesetzt. Die Lagerbestände der "MUSIMA Bärwinkel KG" wurden aufgelöst, Gelder aus der Firma abgezogen und Mitarbeiter wurden zielgerichtet und mit manchmal fragwürdigen Begründungen gekündigt. Man kann durchaus sagen, daß die neue Firmenleitung alles tat, um die Produktionsunfähigkeit der "Musima" sicherzustellen. Angeblich war die sächsische Landesregierung von der Kapitalverlagerung informiert, sah jedoch keinen Handlungsbedarf.

In diese Zeit fallen auch Aufträge nach denen die Firma Westerngitarren für den amerikanischen Hersteller Guild bauen sollte, aber da man nicht mehr produzieren konnte... Daß Teile der damals entstandenen Entwürfe später bei Instrumenten anderer Hersteller auftauchten, ist dabei durchaus als pikant zu bezeichnen.

Soweit die Geschichte des ehemaligen Mitarbeiters. Ob bei dieser Übernahme also alles mit rechten Dingen zuging? Manch einem mögen da berechtigte Zweifel aufkommen und ein Schelm ist, der sich Böses dabei denkt!

Die Geschichte - besonders die vom letzten Besitzer - klingt allerdings zu glatt. Es scheint alles nur zu gut zusammen zu passen... auf den ersten Blick. Aber man soll den Tag ja nicht vor dem Abend loben! Beleuchten wir die Sache also einmal von einer anderen Seite:

Wie man mir mitteilte, wurde die Leitung der betreffenden Sparkasse nach der Wende ziemlich schnell mit einem "Wessi" besetzt. Das will mit den Seilschaften dann aber nicht mehr so recht zusammenpassen. Erst recht nicht fast zehn Jahre nach der Wende! Und 1998 war die "Musima" alles, nur kein ernsthafter Konkurrent für einen großen japanischen Hersteller von Musikinstrumenten. Der letzte Besitzer als Strohmann mit der Aufgabe den Betrieb zu ruinieren? Kaum vorstellbar! Wie im nächsten Kapitel gezeigt wird, würde die Zeit die "Musima" schon "erlegen". Warum also hätte man diesen Aufwand treiben sollen?

Oder war es vielleicht das Ziel, den Absatzmarkt der "Musima" - immerhin die meisten Osteuropäischen Staaten - zu übernehmen, indem man den Betrieb ausschaltete? Natürlich waren die westlichen Hersteller am osteuropäischen Markt sehr interessiert, nur stellte die "Musima" hier kein ernsthaftes Hindernis dar. Wenn ein Ost-Musiker vor der Wahl stand, dann hätte er eine Gitarre von "Ibanez", "Squier" oder "Epiphone" mit Sicherheit einer Musima-Gitarre vorgezogen! Der Name macht es schließlich möglich und die Marktübernahme war schon seit Beginn der 90er Jahre im Gange und folglich eher ein Selbstgänger.

Bleibt nur noch die Sache mit der persönlichen Profitgier. Die ersten Jahre nach der Wende waren eine Art Goldgräberzeit. Wer es geschickt anstellte und skrupellos genug war, der konnte schnell reich werden… allerdings auf Kosten anderer! Aber, wen interessiert das schon?

Man kann die ersten beiden Investoren mit großer Wahrscheinlichkeit in diesem Bereich einordnen. Sie kamen aus dem Westen, wußten offensichtlich was sie wollten und waren bald darauf wieder verschwunden. Viel wird bei der "Musima" 1998 nicht mehr zu holen gewesen sein und die wenigen Investoren der zweiten Generation, die häufig aus dem Osten kamen, verfolgten eher das hehre Ziel, doch noch etwas aus "ihrem" Betrieb zu machen. Häufig fehlten jedoch die notwendige Erfahrung und die erforderliche Weitsicht, sodas viele dieser Projekte schnell scheiterten.

Für die Mitarbeiter eines Betriebes, denen bestimmte betriebswirtschaftliche Zwänge und Notwendigkeiten häufig unbekannt sind, stellt sich die Sache dann häufig sehr einfach dar: "Die da oben haben sich die Taschen vollgestopft und wir hier unten müssen jetzt dafür bezahlen!"

Der letzte Besitzer der "Musima" führt heute eine Musikschule und ein Musikgeschäft. Allerdings ist in beiden Fällen seine Frau als Inhaberin aufgeführt. Wäre das notwendig, wenn er mit der "Musima" reich geworden wäre oder hat er vielleicht doch eine finanzielle "Schramme" davongetragen?

Man sieht deutlich, daß hier noch viele Fragen offen sind!

Schlußendlich kam es auch für die "Musima", wie es kommen mußte: Nach insgesamt 52 Jahren war 2004 Schluß und die Reste des einstmaligen Vorzeigebetriebes wurde abgewickelt. Die Gebäude an der Pestalozzistraße stehen heute leer und wurden vor kurzem von der Stadt Markneukirchen zwecks Abriß aufgekauft.

Am 05.01.2010 war auf freiepresse.de bezüglich des alten Fabrikgebäudes folgendes zu lesen:

Verriegelt und verrammelt - so wird's dieses Jahr bei der Musima in Markneukirchen bleiben. Grund: Der Stadt fehlt das Geld für die künftige Nutzung des Geländes der ehemaligen Musikinstrumentenfabrik an der B 283. "Wir sind auch nicht zufrieden mit der jetzigen Lösung", betont Bürgermeister Andreas Jacob (CDU) aber zugleich, dass eine Zukunft als Jugendclub oder Bauhof deswegen nicht für alle Zeit vom Tisch ist.

Erledigt hat sich die Idee, dass die Feuerwehr in der Musima ihr neues Domizil findet. "Das ist technisch nicht zu lösen, weil die Fahrzeuge nicht ebenerdig aus den Gebäuden herausfahren können", so Jacob. Abstand genommen hat die Stadt auch von einem Totalabriss. Weil es dafür keine 90 Prozent Fördermittel gibt, ist das für die Stadt zu teuer. "Die Eigenmittel hätten wir nicht." Noch nicht entschieden ist über die Idee, dass der Stadtbauhof von der Wiesenstraße an die B 283 umzieht.

Immer wieder im Gespräch war die teilweise Nutzung durch den Jugendclub. Jacob erklärte, er habe den Verantwortlichen aber bedeutet, dass sie sich keine Hoffnungen auf einen Umzug 2010 machen sollen. Auch hier hängt's am Geld. Die Stadt hat ein Kostenangebot eingeholt, die unterste Etage des früheren Bürotrakts auf einfache Art für den Club herzurichten und zu beheizen. Dies würde laut Bürgermeister aber weit über 100.000 kosten - derzeit illusorisch für die Stadt. "Am idealsten wäre, man findet einen Investor." Jacob weiß aber, dass dies kaum der Fall sein wird. So bleibt der Stadt vorerst nur, immer wieder nachzusehen und zuzusperren, wenn mal wieder Unbekannte in die leere Fabrik eingedrungen sind.

Es bleibt also spannend! Vielleicht findet sich ja doch noch jemand mit ein wenig Geld und einer guten Idee...

Eine Zukunft für die "Musima"?

Wenn man sich die Geschichte der "Musima" in der Nachwendezeit ansieht, könnte man zu dem Schluß kommen, daß der Betrieb gezielt zugrunde gerichtet wurde und ihre Besitzer nur den persönlichen Profit im Auge hatten. Aber stimmt das wirklich?

Abseits aller Geschichten, die man von ehemaligen Mitarbeitern und anderen Leuten erfahren kann, sollte man sich zunächst die Frage stellen, ob die "Musima" 1989 unter westlichen Bedingungen überhaupt eine Chance zum Überleben hatte? Wenn nicht, muß man das Scheitern ihrer Besitzer unter Umständen auch in einem anderen Licht sehen. Hierzu ein paar Überlegungen:

  1. Anfang der 90er Jahre begann auch in Europa massiv das Zeitalter der wirtschaftlichen Globalisierung. Viele Betriebe gerieten in den folgenden Jahren in finanzielle Schwierigkeiten, da sie mit den Produktionskosten in Asien nicht konkurrieren konnten. In der Folge wurden die Produktionsbereiche in das billigere Ausland verlagert und die lokalen Arbeitsplätze gingen verloren.
     
  2. 1989 war der "Staat" DDR mehr als Pleite. Im Vergleich zur Bundesrepublik war die industrielle Infrastruktur verschlissen, die Arbeitsproduktivität gering und die Produktionsmethoden ineffizient.
     
  3. Die Produktionsmittel der "Musima" entsprachen 1989 mit Sicherheit nicht dem westlichen Standard. Um die Kosten zu senken wären umfangreiche Investitionen in moderne Produktionsanlagen zwingend notwendig gewesen.
     
  4. Die Marke "Musima" war lediglich in Osteuropa bekannt. Im Westen hatten die Instrumente keinen so guten Ruf oder waren gar unbekannt. Um hier überhaupt eine Aussicht auf Erfolg zu haben, hätte die Marke weltweit vollkommen neu im Markt positioniert werden müssen. Angesichts der Konkurrenz aus den USA und aus Asien wären dazu günstige Preise, gute Qualität und ein längerer Zeitraum notwendig gewesen. Auch hier hätte man zunächst einen nicht unwesentlichen finanziellen Aufwand treiben müssen, ohne bemerkenswerte Gewinne zu erwirtschaften.

Wie hätte man die "Musima" denn positionieren können? Günstige Instrumente für die breite Masse? Entsprechende Produkte wurden damals in Korea und Indonesien billig und in guter Qualität hergestellt. Um hier mithalten zu können, wären moderne Produktionsanlagen mit einem hohen Rationalisierungsgrad unabdingbar gewesen. In der Folge wären mit Sicherheit diverse Arbeitsplätze weggefallen.

Angesichts der hohen Lohnkosten in Deutschland wäre mittelfristig trotzdem nur die Verlagerung der Produktion nach Asien geblieben. Dieser allgemeine Trend war damals schon absehbar. Entsprechende Investitionen in eine alte Fabrik in Deutschland zu tätigen, war also durchaus fragwürdig! Das Überleben eines großen Produktionsbetriebes war unter diesen Umständen mehr als unwahrscheinlich. Arbeit für mehrere hundert Mitarbeiter ließ sich so also keinesfalls sicherstellen.

Die zweite Möglichkeit besteht in der Konzentration auf die Produktion von hochwertigen Instrumenten. Wenn es gelingt, die Kunden von der Qualität der Instrumente zu überzeugen, dann kann man sich auch die höheren Lohnkosten leisten, wie die Produktion von "Gibson" und "Fender" in den Vereinigten Staaten seit Jahren belegt. Aber hier befindet man sich in unmittelbarer Konkurrenz zu eben jenen Herstellern, deren Instrumente seit Jahrzehnten auf breiter Basis einen traditionell sehr guten Ruf haben. Daneben gibt es natürlich auch noch eine ganze Reihe anderer Marken, von denen "Ibanez" hier exemplarisch genannt werden soll. Hinzu kommt, daß Musiker - speziell Gitarristen - vergleichsweise konservativ sind. Neue Namen haben es bei Ihnen daher grundsätzlich schwer.

Im High-End-Bereich setzen die Hersteller erfahrungsgemäß deutlich geringere Stückzahlen ab. Eine "High-End-Musima" hätte hier also auch rationalisieren und schrumpfen müssen. Ob die Firma die abzusehende Durstrecke bis zu einer brauchbaren Akzeptanz der Marke aus finanzieller Sicht durchgestanden hätte, ist durchaus fraglich. Auch Framus mußte, nach der Neugründung im Jahre 1995, ein paar Jahre durch ein Tal der Tränen. Hier hatte man jedoch den Vorteil, daß der Name schon aus den 50er und 60er Jahren einen guten Ruf hatte.

Wenn man all diese Überlegungen berücksichtigt, dann gelangt man zu dem Schluß, daß die "Musima" heute - auch unter den besten Bedingungen - wohl nicht mehr existieren würde! Wer unter solchen Umständen einen Betrieb wie die "Musima" übernimmt, der muß entweder einen sehr guten Plan haben, das notwendige Kapital sowie den Mut, die Möglichkeiten und den festen Willen diesen Plan auch langfristig zu verfolgen oder aber absolut naiv sein!

So bitter es für die ehemaligen Mitarbeiter, aber auch für Sammler und Liebhaber dieser Instrumente auch ist, aus wirtschaftlicher Sicht ist die Zeit für einen Betrieb wie die "Musima" in Deutschland leider abgelaufen!

Bitter ist aber auch, daß es nur noch sehr wenige offizielle Informationen gibt. Laut Karl-Heinz Neudel existierte eine Art Chronik, die von einem der letzten Betriebsleiter zu DDR-Zeiten angefertigt wurde. Dieses unersetzliche Stück Zeitgeschichte ging leider verloren. Wer mehr darüber weiß oder Angaben zum Verbleib machen kann, sollte umgehende mit mir Kontakt aufnehmen.

Auch Uwe Schubert, der Inhaber des Musikladen Döhlau in Bayern, teilte mir per Mail mit:

Bei Musima wurden nach dem Aus alle Unterlagen vernichtet.

Heute bleibt uns also nur noch übrig, den "Scherbenhaufen" zusammenzukehren, um dieses bemerkenswerte Stück Geschichte des deutschen Instrumentenbaus für die Nachwelt zu erhalten!

Migma

Schon seit 1931 wurde in Markneukirchen verschiedene Handwerkerverbindungen gegründet, aus denen 1943 die "Musikinstrumenten Handwerker-Genossenschaft Markneukirchen", kurz "Migma" wurde. Sie übernahm nach dem Krieg die Aufgabe einer Einkauf- und Liefergenossenschaft mit deren Hilfe die verbliebenen selbstständigen Instrumentenbauer ihre Materialien beschaffen konnten, die sie ohne westliche Devisen sonst nicht bekommen hätten. Im Gegenzug wurden die Handwerker jedoch dazu verpflichtet, ihre Produktion zu festgelegten Preisen an die Genossenschaft abzugeben, die sie dann unter dem Namen "Migma" vertrieb.

Für vorhandene Materialvorräte zahlte die "Migma" nach der "Übernahme" des Betriebes, über Jahre verteilt, eine geringe Abfindung. Der Kundenkontakt beschränkte sich auf Beratung und Definition der Produkteigenschaften. Abgerechnet wurde jedoch immer über die Produktionsgenossenschaften.

Der Besitzer eines an die "Migma" angeschlossenen Handwerksbetriebes fungierte quasi als Abteilungsleiter und war damals weiterhin der "Chef" des Betriebes. Allerdings konnte er "seinen" Betrieb nicht mehr an den Sohn oder die Tochter weitergeben, wenn er einmal in Rente ging. Die so frei werdende Stelle wurde in der Regel mit einer anderen Person besetzt, die unter anderem das richtige Parteibuch haben mußte.

Auch wenn die Handwerksbetriebe formal als selbstständig angesehen werden müssen, war die Aufnahme in eine PGH letztendlich nichts anderes als eine Enteignung durch die kalte Küche! Bestimmt wurde jetzt nicht mehr im Betrieb und wer sich nicht an die Regeln halten wollte, hatte eben schnell ein Materialproblem...

Die Mehrzahl der Instrumente wurde über die "Demusa GmbH" in das Ausland exportiert. Die Notwendigkeit Devisen zu erwirtschaften und die Handelsverpflichtungen mit der Sowjetunion zu erfüllen, führte generell dazu, daß kaum gute Instrumente für den Bedarf in der DDR übrig blieben.

Bild 3: Das Gebäude der Migma in Markneukirchen

Im Gegensatz zu vielen anderen ostdeutschen Betrieben existiert die "Migma" auch heute noch als "Vereinigung von Handwerksmeistern, die mit ihren Instrumenten die besten Traditionen des deutschen Musikinstrumentenbaues pflegt und fortführt".

Meinel und Herold

Die Firma "Meinel und Herold" wurde 1893 in Klingenthal als Fabrik für Akkordeons und Harmonikas gegründet. Im Laufe der Zeit entwickelte sich der Betrieb jedoch zu einem der größten Handelsunternehmen der Region, welches seinen Schwerpunkt auf den Versandhandel mit Privatkunden gelegt hatte. Dabei beschränkte man sich jedoch nicht auf die bis dahin selbst produzierten Instrumente, wie zum Beispiel Harmonikas, sondern man bot quasi die komplette Bandbreite der Musikinstrumente an.

Nach dem Krieg wurde die Firma dem VEB "Klingenthaler Harmonikawerke" angegliedert. Es wurden jedoch bis 1973 Instrumente unter dem Namen "Meinel und Herold" vertrieben. Bemerkenswert ist, daß viele Elektrogitarren dieser Marke große Ähnlichkeiten mit den Instrumenten von "Migma" aufweisen, was als ein deutlicher Hinweis auf die Funktion als Handelsunternehmen, auch im Rahmen des VEB "Klingenthaler Harmonikawerke", gewertet werden mag.

Sinfonia

Neben der schon lange vor der DDR gegründeten "Migma" wurde 1960 in Markneukirchen die "Sinfonia" als weitere PGH gegründet, die ihre Arbeit 1961 aufnahm. 1972 wurden alle angeschlossenen Betriebe mit mehr als zehn Mitarbeitern zwangsweise verstaatlicht und aus der Produktionsgenossenschaft des Handwerks wurde der VEB "Sinfonia Markneukirchen", der elf Jahre später mit dem VEB "Blechblas- und Signalinstrumentenfabrik" zusammengelegt wurde. Wenn man verschiedenen weiteren Quellen im Internet trauen darf, dann erfolgte 1984 die Angliederung an die "Musima".

Man findet verschiedene Gitarren, welche die Bezeichnung "Sinfonia" tragen. Hier liegen also vergleichbare Verhältnisse wie bei "Migma" vor. Die Instrumente wurden von einem Instrumentenbauer erstellt und von der Produktionsgenossenschaft unter ihrem Namen vertrieben.

Tradition: Seifert, Windisch, Bachmann und die anderen

Viele der selbständigen Werkstätten des Instrumentenbaus existierten in Ostdeutschland teilweise schon seit 100 Jahren. Bekannte Namen sind hier zum Beispiel Otto Windisch (Otwin), Oswald Bachmann (Osbama) und natürlich der 2002 verstorbene Hans Seifert, der als einer der bekanntesten vogtländischen Gitarrenbauer der Nachkriegszeit gilt.

Die Firma "Otto Windisch" wurde bereits 1886 in Schilbach gegründet. Gefertigt wurden Streich- und Zupfinstrumente aller Art. Nach kurzer Zeit wurde das Geschäftsfeld auf den Handel mit Musikinstrumenten, Zubehör and Materialien erweitert. Die 1903 gegründete Filiale in Schöneck avancierte schnell zum Hauptunternehmen, in dem in Spitzenzeiten bis zu 120 Mitarbeiter beschäftigt wurden. Nach dem Tod des Firmengründers wurde die Firma 1935 von seinem Sohn, Johannes Windisch, übernommen, der den Betrieb bis 1973 führte. Danach wurde der Betrieb in den "VEB Sinfonia Markneukirchen" eingegliedert, der 1984 zur "Musima" kam.

Der gelernter Gitarrenmacher Oswald Bachmann vertrieb unter der Marke "Osbama" in Markneukirchen verschiedene Musikinstrumente. Für seine Werkstatt arbeiteten fünf Mitarbeiter, die teilweise auch in Heimarbeit tätig waren. Gitarren wurden hauptsächlich bis Ende der 60er Jahre gefertigt. Danach ging die Produktion zurück und man verlagerte die Aktivitäten auf den Handel mit Musikspielwaren. Nachdem der Betrieb 1978 aufgelöst wurde, verstarb Oswald Bachmann 1982 im Alter von 80 Jahren.
Erich Neudel war einer der Mitarbeiter von Oswald Bachmann, der unter anderem die "Osbama Tango" baute. Heute arbeitet sein Neffe Karl-Heinz Neudel ebenfalls als Gitarrenbauer in Markneukirchen.

Der Geigen- und Gitarrenmacher Heinz Seifert, der in seiner Werkstatt in Erlbach mit einer handvoll Mitarbeitern arbeitete, war unter den Musikern der DDR so etwas wie ein Geheimtip und besonders für die hochwertigen Hälse seiner Instrumente bekannt. Ab den 60er Jahren lag der Schwerpunkt seiner Arbeit auf der Herstellung und Reparatur von Elektrogitarren. Er fertigte sowohl eigene Entwürfe, als auch Kopien westlicher Gitarren an. Diese wurden jedoch nicht mit seinem Namen versehen. Neben den Schlaggitarren aus eigener Produktion sind die Elektrogitarren aus der Serie "Favorit Elektric" besonders bemerkenswert. Dieser Name war sozusagen eine Art "Hausmarke". Viele seiner Elektrogitarren wurden über die "Migma" vertrieben.

Noch heute findet man die Meisterwerkstatt von Joachim Schneider, der den Betrieb 1962 von seinem Großvater, Meister Willy Blahowetz übernahm. Zur Zeit sind auch sein Sohn und sein Enkel als Meister im Betrieb tätig und widmen sich dem klassischen Gitarrenbau.

Sie alle suchten sich in der DDR-Zeit ihre Nische zum Überleben und konzentrierten sich teilweise auf die Herstellung hochwertiger akustischer Gitarren.

Der Niedergang des Handwerkes

Eine der wenigen "Errungenschaften" des real existierenden Sozialismus auf deutschem Boden besteht in der zweifelhaften Tatsache, daß er es fast geschafft hat, Wissen und Tradition des in Jahrhunderten gewachsenen ostdeutschen Instrumentenbaus zu zerstören. Zu dieser provokanten Aussage muß man zwingend kommen, wenn man die folgenden Aspekte berücksichtigt:

  1. Die Wirtschaft in der DDR war in vielen Bereichen durch einen eklatanten Mangel gekennzeichnet. Für die freien Instrumentebauer hatte das zur Folge, daß sie die notwendigen Materialien häufig gar nicht oder nur in schlechter Qualität und zu hohen Preisen erhielten. Daß man unter diesen Umständen nur schwer Spitzeninstrumente produzieren kann, liegt auf der Hand.
     
  2. Eine gute akustische Gitarre zu bauen ist eine zeitaufwendige Angelegenheit, da sie mit sehr umfangreichen manuellen Tätigkeiten verbunden ist. Der daraus resultierende notwendige Verkaufspreis konnte, aufgrund des staatlichen Preisdiktates, häufig nicht erzielt werden. In der Folge war die Produktion solcher Instrumente aus wirtschaftlicher Sicht nicht lohnend und viele Instrumentenbauer gingen deshalb dazu über, hochwertige Instrumente nur auf private Bestellung zu bauen. Nichtverfügbare Materialien, die vom Kunden aber gewünscht wurden, mußte dieser dann häufig selber beibringen.
     
  3. Aufgrund der ausgeübten Repressalien hatte es eine ganze Reihe von Instrumentebauern schon frühzeitig vorgezogen "mit den Füssen" abzustimmen und ihr Glück im Westen zu versuchen. Das führte nicht nur zu einem unwiederbringlichen Verlust an Wissen und Erfahrung für den ostdeutschen Instrumentenbau, sondern verringerte auch die Zahl der Handwerksbetriebe, die in der Lage waren, hochwertige Instrumente zu bauen und die dazu notwendigen Fähigkeiten zu vermitteln.
     
  4. Die in Markneukirchen ansässige Fachschule für Instrumentenbau wurde in den 60er Jahren geschlossen. Die theoretische Ausbildung erfolgte dann in Klingenthal.
     
  5. Da die Zahl der privaten Handwerksbetriebe stetig zurückging, wurde es zunehmend schwieriger, im Handwerk einen Ausbildungsplatz zu finden. In der Folge fand die praktische Ausbildung fast nur noch in den VEBs statt. Da die Bildungsinhalte hier jedoch nicht auf handwerkliche Fähigkeiten, sondern hauptsächlich auf die Bedürfnisse einer Massenproduktion ausgerichtet waren, blieben viele wichtige Lerninhalte quasi auf der Strecke. Diese Situation wurde noch verschärft, da viele Auszubildende nur in einem Teilbereich der Produktion eingesetzt wurden und sie so unter Umständen gar nicht mehr den gesamten Produktionsablauf einer Instrumentenherstellung im Detail kennenlernen konnten.
     
  6. Nach Aussage von Heidrun Eichler, einer Mitarbeiterin des Musikinstrumenten-Museum Markneukirchen, konnte jemand, der "in der Musima gelernt hatte, sich nicht selbständig machen oder in eine private Werkstatt wechseln". Diese Aussage wird von Karl-Heinz Neudel allerdings bestritten.

Wirtschaftliche Schwierigkeiten, Abwanderung und der fehlende Nachwuchs führten mit der Zeit zu einer deutlichen Abnahme der privaten Betriebe und häufig nahmen die alten Handwerksmeister ihr Wissen im wahrsten Sinne des Wortes mit ins Grab!

Im Westen ist alles besser!?

Der "böse" Sozialismus hat also den Instrumentenbau in Ostdeutschland auf dem Gewissen! Zu diesem Schluß könnte man jetzt gekommen sein. Aber, wie sieht es denn im sogenannten freien Westen aus? Wenn man einmal im Internet nach Gitarrenbauern aus den alten Bundesländern sucht, dann ist das Ergebnis keine so lange Liste. Tatsächlich hat sich die Zahl solcher Betriebe auch dort verringert und das kommt nicht von ungefähr.

Natürlich erdreistet sich "Vater Staat" hier nicht, den Handwerkern die Preise für ihre Produkte vorzuschreiben. Natürlich wird nicht festgelegt, was sie zu produzieren haben! Das ist auch gar nicht notwendig, denn das besorgt schon der Markt. Im gleichen Maße wie die Kunden nach immer billigeren Instrumenten verlangen, sind die Hersteller gezwungen, immer stärker zu rationalisieren. Einem solchen Wettlauf können kleine Betriebe mit einem hohen Maß an Handarbeit naturgemäß nicht standhalten!

Daß bei der starken Rationalisierung die Qualität häufig auf der Strecke bleibt, wurde mehr als einmal von den Kunden beklagt. Statt jedoch den großen Herstellern ihre schlampigen Produkte vor die Füße zu werfen und sich qualitativ besseren Instrumenten zuzuwenden, wird häufig versucht, durch Aufrüstung aus dem "schlechten" billigen Instrument doch noch ein "gutes" billiges Instrument zu machen. Der Leidensdruck scheint also noch nicht groß genug und die Kenntnis der alten Weisheit nach der "Wer billig kauft, kauft zweimal!" gilt, schon lange in Vergessenheit geraten zu sein!

Wer heute als Instrumentenbauer überleben will, muß sich eine passende Nische suchen. "Service" ist dann das große Stichwort, mit dem solche Betriebe noch punkten können, gleichwohl genau das ja Geld kostet, das keiner auszugeben bereit ist. Der Instrumentenbau selber ist heute stark individualisiert. Häufig werden die Instrumente in enger Absprache mit dem Kunden entwickelt, ein Service, den eine Massenproduktion natürlich nicht leisten kann. Aber das hat selbstverständlich seinen Preis, denn solche Instrumente kosten schnell mehrere tausend Euro. Damit sind die Betriebe leider nicht mehr massenkompatibel und können nur noch die solventere Kundschaft adressieren, die bereit ist, für Qualität und Individualität einen entsprechenden Preis zu zahlen.

Der Westen ging und geht mit seinen Instrumentenbauern also nicht besser um, sondern nur anders. Das Ergebnis ist jedoch gleich: Die Betriebe müssen um ihr Überleben kämpfen und ihre Zahl wird sich vermutlich auch in der Zukunft, mit allen daraus folgenden Konsequenzen, weiter verringern. Solange wir als Kunden uns den Luxus leisten, mehrfach vermeintlich billige Instrumente zu kaufen, die dann für teueres Geld aufgerüstet werden, statt einmal ein vernünftiges Instrument zu erwerben, wird sich an dieser Situation auch nichts ändern. Geiz ist ja schließlich Geil!

Der Preis, den wir für ein solches Verhalten zahlen werden, ist indes hoch. Auf der einen Seite droht der Verlust von jahrhundertealten Kenntnissen und Fähigkeiten und auf der anderen Seite steht der kurzlebige instrumentelle Einheitsbrei. Wollen wir das wirklich?


2. Auf dem Holzweg?

Über die verwendeten Hölzer in den sogenannten "Ost-Gitarren" kann man unzählige Schauergeschichten hören und lesen. Von Sperrholz oder gar Preßpappe und anderen unschönen Dingen ist da häufig die Rede. "Ist ja auch kein Wunder", so schießt es dem ehemaligen Berufswessi durch den Kopf, "die hatten ja auch nichts da drüben!" Aber wie immer sollte man vorsichtig sein und nicht alles über einen Kamm scheren, denn Ost-Gitarre ist eben doch nicht gleich Ost-Gitarre und bekanntlich bestand der Ostblock nicht nur aus der DDR!

Tatsächlich findet man sehr viele Instrumente aus osteuropäischer Fertigung, die dem eben genannten Klischee entsprechen, aber ob das auch für die Instrumente aus dem Musikerwinkel im Süden der DDR gilt, ist die große Frage. Da in den wenigen verfügbaren Katalogen aus den 60er und 70er Jahren nur selten vollständige Angaben über die verwendeten Materialien gemacht wurden, sind wir heute quasi auf einem Auge blind. Wenn eine Gitarre erst einmal lackiert ist, kann man das Holz darunter in der Regel nicht mehr richtig erkennen. Auch Fachleute haben dann oft ihre Probleme, die verwendeten Hölzer klar zu bestimmen, insbesondere wenn mit Furnieren und anderen Dingen gearbeitet wurde.

Wie ein Korpus aus Sperrholz (engl. Plywood) von innen aussieht, zeigt das folgende Bild:

Bild 4: Eine Herticaster mit Sperrholzkorpus aus japanischer Produktion

Der gezeigte Korpus gehört zu einer sogenannten "Herticaster" wie sie in den 60er und 70er Jahren in westdeutschen Kaufhäusern erhältlich war. Interessanterweise wurden sie nicht im Ostblock, sondern in Japan hergestellt, wie im Artikel "Die 'Hertiecaster'-Gitarre der 60er und 70er Jahre" nachzulesen ist. Hätte man auch innen eine dickere Lackschicht verwendet, so würde diese Sparmaßnahme auch auf den zweiten Blick nicht sofort auffallen.

Die wenigen Angaben zu den Materialien der Ost-Gitarren, die heute im Internet zu finden sind, stammen häufig von den Besitzern der Instrumente, die aber wohl in den seltensten Fällen zum Werkzeug greifen, um das Holz zwecks Identifizierung freizulegen. Tja und dann gibt es natürlich auch noch die wachsende Schar der selbsternannten "Fachleute", die zwar so ein Instrument noch nie... aber sie hätten gehört, daß...

Gerade solche Zeitgenossen werden nicht müde, ihr "Wissen" mit Hilfe des Internet der Welt mitzuteilen! Und der schlechte Sound eines solchen Instrumentes hat natürlich auch einen Grund:

"Wenn das Instrument ein kurzes Sustain hat und nur dumpf klingt, liegt das bestimmt an dem Sperrholz aus dem der Korpus gefertigt wurde!"

Daß es auch andere Gründe geben kann, wird dabei gerne vergessen, da eine schlüssige Erklärung ja auf der Hand liegt. Man sollte mit der Bewertung solchen Aussagen also sehr vorsichtig sein!

Ich habe mit Karl-Heinz Neudel über das Thema Hölzer gesprochen. "Die schreiben do a ganz a schönen Blödsinn!", sagte er zu den Angaben, die zum Beispiel auf Cheesy Guitars zu finden sind. Zumindest die Angaben für die Musima-Gitarren (und vermutlich auch die für andere DDR-Instrumente) stimmen also nicht!

Er teilte mir mit, daß bei der "Musima" für massive Elektrogitarren grundsätzlich Erle oder Linde als Korpusholz verwendet wurde. Bei Instrumenten mit einem einfarbigen Finish erhielt der Korpus ein Furnier aus Buche. Instrumente mit Sunburst-Lackierung wurden - wegen der schöneren Maserung - mit Ahorn furniert.

Für den Hals wurde grundsätzlich Ahorn verwendet und mit einem Griffbrett aus Palisander versehen. Es gibt jedoch auch eine Quellen, die von eingefärbter Buche als Griffbrett berichten. Da Palisander als Tropenholz importiert werden mußte, ist es durchaus denkbar, daß man sich im unteren Preisbereich gelegentlich dieses Tricks bedient hat. Nachweislich ist das jedoch nicht!

Im Hinblick auf die verwendeten Hölzer ist die "böse" Ost-Gitarre aus deutscher Produktion von ihrer Klassenfeindin aus dem imperialistischen Westen also nicht weit entfernt und die Instrumentenbauer der "Musima" waren durchaus in der Lage, gute Hölzer zu erkennen und zu verwenden!


3. Tonabnehmer

Auf vielen Instrumenten von "Musima" oder "Migma" finden sich die gleichen Tonabnehmer, die in der Regel vom "VEB SIMETO" (Signal-Meß- und Tongeräte) in Klingenthal produziert wurden. Hier eine kleine Auswahl:

Bild 5: Verschiedene "SIMETO"-Tonabnehmer

Mit Hilfe der Tonabnehmer lassen sich auch die Produktionszeiträume der Instrumente zumindest grob ermitteln. Karl-Heinz Neudel hat in einem Beitrag des Forums des Musikinstrumentenmuseums Markneukirchen dazu einige Hinweise gegeben, die er dann fernmündlich noch konkretisierte:

  1. 1961 - 1964: Schmaler Single-Coil im Stratocaster-Format mit weißer Plastikabdeckung
     
  2. 1964 - 1974: Breiter Single-Coil im P-90-Format mit gerundeten Formen, Blechkappe und verstellbaren Polen
     
  3. 1974 - 1980: Breiter Single-Coil mit eckigem Profil und schmaler Single-Coil im Fender-Format
     
  4. ab 1980: Single-Coils und Humbucker im Standard-Format

Im Vergleich zur westlichen Vielfalt, wie man sie unter anderem in Guitar-Letter I nachlesen kann, ist dieses Angebot erfreulich übersichtlich. Geplante Wirtschaft hat manchmal eben auch seine Vorteile!


4. Instrumente

Der Musikerwinkel im Vogtland ist reich an verschiedenen Gitarren, die im Laufe der letzten 50 Jahre gebaut wurden. Sie alle vorstellen zu wollen, gleicht der Quadratur des Kreises und so möchte ich mich hier auf einige wenige Elektrogitarren von "Musima" und "Migma" beschränken.

4.1. Die Musima Elgita

Man nehme einen Korpus in der bekannten Form der "Stratocaster", würze mit einem Vibrato nebst "Roller Bridge" und zwei Single-Coils, modifiziere den Korpus etwas in Richtung "Bison" und fertig ist sie, die "Elgita"! Von der Form her lehnte man sich bei diesem Instrument tatsächlich eng an die "Bison" des britischen Herstellers "Burns" an. Aufgrund des Vibratos und der Tonabnehmerkonfiguration könnte man auch an eine "Jaguar" denken, die 1962 erstmalig erschien. Im Katalog wird die "Elgita" als "Vollelektrische asymmetrische Jazzgitarre mit Stiletto-Hals" beschrieben. Über die verwendeten Materialien wird jedoch vornehm geschwiegen.

Der Hals wird mit Hilfe zweier relativ dünner Schrauben und einer kleinen Blechplatte mit dem Korpus verbunden. Unter der Annahme, daß keine weiteren Maßnahmen zur Befestigung erfolgt sind, scheint hier eine Schwachstelle vorzuliegen. Eine Strat oder Tele kann man notfalls auch als Tennisschläger verwenden, ohne den Hals sofort und dauerhaft vom Korpus zu trennen. Bei der "Elgita" sollte man von solchen Versuchen vermutlich besser absehen!

Der schmale Sattel besteht aus einfachem Plastik und muß die Saiten nur in Position halten, da das Instrument über einen sogenannten "Nullbund" verfügt.

Auch die Kopfplatte der "Elgita" ist eine Bemerkung wert. Hier ein Bild:

Bild 6: Der Kopf einer Elgita

Im Vergleich zur "Stratocaster" hat die "Elgita" einen wesentlich längeren Kopf, was dem erstaunten Musiker dann schon einmal eindringlich die Endlichkeit der mechanischen Länge einer handelsüblichen e'-Saite demonstriert. Werfen wir jetzt einen Blick auf den Korpus einer "Elgita":

Bild 7: Restaurierte Musima Elgita aus den 70er Jahren

Zwei Lautstärkeeinsteller und ein Trickschalter bilden das sogenannte "Mischpult". Die verwendeten "SIMETO"-Tonabnehmer sind mit Hilfe zweier Schrauben direkt auf dem Schlagbrett montiert. Aufgrund ihrer Konstruktion kann man sie am ehesten mit einem "P-90" vergleichen. Es gibt jedoch noch eine weitere Variante der "Elgita", welche schmalere Tonabnehmer verwendet, wie das nächste Bild beweist:

Bild 8: Elgita mit schmalen "SIMETO"-Tonabnehmern aus den frühen 60er Jahren

Hier scheint man auch bezüglich der Tonabnehmer bei der "Stratocaster" abgeschaut zu haben. Welche der beiden Modelle zuerst da war, läßt sich nur mit Hilfe der Tonabnehmer klären. Entsprechend müßte die "Elgita" aus Bild 8 eigentlich vor dem Instrument aus Bild 7 hergestellt worden sein.

Aus der mechanischen Breite von mir vorliegenden breiten "SIMETO"-Tonabnehmern und verschiedenen Fotos einer "Elgita" wurden folgende Daten ermittelt:

  1. Mensur: 647,70mm (25,5" Strat-Mensur)
     
  2. Position Bridge-PU: 37,7mm ("Les Paul")
     
  3. Position Neck-PU: 150,0mm (etwas mehr als bei der "Les Paul")

Hier wurde also ein Mix aus "Stratocaster" "Jaguar" und "Les Paul" realisiert: Form und Mensur von der Strat, absolute Tonabnehmerposition von der Paula, sowie die Tonabnehmercharakteristik und das Vibrato von der "Jaguar".

Anschluß findet die "Elgita" über eine sogenannte "Diodenbuchse", wie sie in den 60er und 70er Jahren auch in Rundfunk- und Tonbandgeräten verwendet wurde. Da man das Instrument auf diese Weise auch leicht mit dem Tonbandeingang eines Radios verbinden konnte, sah man sich gezwungen, eine Warnung in unmittelbarer Nähe der Buchse anzubringen:

Bild 9: Die Anschlußbuchse der Elgita

Diese Warnung gilt für den Fall, daß der begeisterte Musiker ein altes Röhrenradio in Allstromtechnik als Verstärker mißbrauchen will. Solche Geräte verfügen nicht über ein galvanisch getrenntes Netzteil, sodas die Schaltungsmasse unter Umständen mit der Phase der Netzspannung verbunden wird, was für den Benutzer die Gefahr eines tödlichen elektrischen Schlages beinhaltet. Diese Warnung gilt natürlich generell für die Nutzung einer Elektrogitarre an einem solchen Gerät, unabhängig davon, ob eine Diodenbuchse oder die bekannte Klinkenbuchse verwendet wird!

4.2. Die Musima Record

Das Modell "Record" stellt in seiner letzten Inkarnation aus den frühen 70er Jahren eine sogenannte "Thinline" dar, die durchaus mit der "ES-330" von "Gibson" oder der "Casino" von "Epiphone" zu vergleichen ist. Der Korpus ist also vollständig hohl. Der Ursprung dieses Instrumentes läßt sich auf den deutschen Gitarrenbauer Wenzel Rossmeisl zurückführen, der seit den 30er Jahren Jazzgitarren baute. Nach dem Krieg wurde er aus Schönbach vertrieben und produzierte zunächst in Berlin in der Martin-Luther-Straße 27 und später dann in Markneukirchen. 1951 wurde Rossmeisl wegen angeblicher Devisenvergehen inhaftiert und der Betrieb enteignet. Nach seiner vorzeitigen Haftentlassung im Jahre 1953 wurde er in den Westen abgeschoben. 1955 begann er in einer neuen Werkstatt in Mittenwald wieder Gitarren herzustellen. Seine Firma in der DDR wurde 1952 Bestandteil des neugegründeten "VEB Musima Markneukirchen".

Die "Record" wurde aus dem Modell "Roger Super" von Rossmeisl entwickelt. Beide Instrumente weisen den für Rossmeisl typischen "German Carve" sowie die katzenaugenförmigen Schallöcher auf. Beim "German Carve" wird die Decke (und manchmal auch der Boden) so geschnitzt, daß ein starker Wulst am Deckenrand entsteht. Durch diese besondere Deckenform weist das Instrument keine gleichmäßige Wölbung der Decke auf, sondern ist im mittleren Bereich fast eben.

Aus der ursprünglichen Archtop wurde dann im Laufe der Zeit in mindestens drei Schritten eine elektrifizierte Thinline entwickelt, wobei die Form von Decke und Boden jedoch erhalten blieb. Wie stark die Verwandtschaft zur "Roger Super" tatsächlich ist, läßt sich anhand des folgenden Bildes erkennen. Es zeigt eine "Roger Super Cutaway" aus westdeutscher Fertigung und zwei Varianten der "Musima Record", die Modelle 15 und 17 die ca. 1965 und 1973 in der DDR gebaut wurden:

Bild 10: Musima Record und Roger Super - Verwandte aus Ost und West

Laut einer Spezifikation aus dem Jahre 1969 soll der Hals aus Riegelahorn mit Ebenholzgriffbrett bestehen. Zargen und Boden wurden ebenfalls aus Riegelahorn gefertigt, wohingegen für die Decke Fichte verwendet wurde. Andere Quellen sprechen auch von Pinie als Deckenholz. Was jetzt stimmt oder ob alle Recht haben... wer weiß das schon?

Mit ihrer handgeschnitzten Decke und einem potentiellen Ebenholzgriffbrett, darf sich die "Record" schon in gewisser Weise als "Meistergitarre" bezeichnen. Da die meisten anderen Thinlines oder Archtops von "Musima" Decken aus Sperrholz hatten, stellte die "Record" diesbezüglich sicherlich das Spitzenmodell dar. Allerdings gibt es hier auch ein paar bemerkenswerte Dinge, die darauf hindeuten, daß manchmal etwas abseits der "reinen" Lehre gefertigt wurde:

Augenscheinlich verfügen alle Instrumente aus Bild 10 nicht über eine einstellbare Stahleinlage im Hals. Die "Roger Super" glänzt hier jedoch durch einen Hals, der vermutlich aus sieben Streifen verschiedener Hölzer zusammengesetzt wurde. Eine solche Konstruktion zeichnet sich durch eine große Stabilität und Verwindungsfreiheit aus, sodas man unter Umständen durchaus auf eine Stahleinlage verzichten kann. Bei der "Record" scheint der Hals aus einem Stück zu bestehen, womit man ihn, aufgrund der fehlenden Stahleinlage, wohl zu Recht als Schwachpunkt bezeichnet kann.

Bei einer hochwertigen Jazzgitarre erwartet man eigentlich immer, daß der Hals im Korpus eingeleimt wird. Mit diesem Feature kann die "Record" leider nicht dienen, denn hier ist der Hals nachweislich angeschraubt:

Bild 11: Die Halsbefestigung der Musima Record

Wie dem Bild zu entnehmen ist, gibt es mindestens drei Varianten der Halsbefestigung. Die beiden links dargestellten Formen hinterlassen dabei einen stabileren Eindruck, denn hier weisen die Schrauben einen deutlich größeren Durchmesser auf. Das Fehlen einer massiven Halsplatte, wie man sie zum Beispiel bei der "Stratocaster" findet, legt die Vermutung nahe, daß die eigentliche Kraft von einem im Korpus befindlichen Holzblockes aufgenommen werden muß. Nimmt man den Hals ab, so bietet sich das folgende Bild:

Bild 12: Die Halstasche der Musima Record mit Zweipunkthalsbefestigung

Hier ist tatsächlich ein Holzblock zu erkennen, durch den die beiden Schrauben gehen. Er ist in etwa sechs Zentimeter lang. Im Inneren der beiden Löcher sind die Spuren der Gewinde zu erkennen. Sie nehmen also die gesamte Verbindungskraft auf. Bei der "Stratocaster" werden die immerhin vier Schrauben nur in den Halsfuß geschraubt. Korpusseitig wird die Gegenkraft durch die metallische Halsplatte auf eine größere Fläche verteilt und die Bohrungen im Korpus sind so groß, daß die Schraubengewinde hier nicht fassen. Den Hals einer solchen Gitarre wird man mit Sicherheit häufiger abnehmen können, ohne eines der "Gewinde" im Holz ernsthaft zu schädigen. Auch im Hinblick auf die Schwingungsübertragung dürfte das Prinzip von "Fender" Vorteile haben.

Speziell bei der einfachen Zweipunktbefestigung wird sich auch eine unerwünschte Kippneigung des Halses ergeben, da die beiden Schrauben in der gleichen Ebene liegen. Die vergleichsweise große Tiefe der Halstasche wird sich dem mit Sicherheit nicht widersetzen. Die Lösung mit den drei Schrauben stellt hier nichts anderes dar, denn die dritte Schraube dient nur dazu den Winkel des Halses einzustellen.

Bei akustischen Gitarren ist das Griffbrett in der Regel mechanisch mit der Decke verbunden, sodas hier eine direkte Schwingungsübertragung stattfinden kann. Bei der "Record" ist das nicht der Fall! Auch die Art, wie die beiden Tonabnehmer befestigt wurden, stellt eigentlich Gift für jegliche Art der freien Deckenschwingung dar. Immerhin wiegt ein solcher Tonabnehmer rund 120g. Bei zwei Tonabnehmern ergibt sich dann mit Sicherheit eine nicht zu vernachlässigende Trägheit für die Decke, die bei einer guten akustischen Gitarre unerwünscht sein dürfte. Nicht umsonst haben gute Jazzgitarren sogenannte "Floating Pickups", die am Griffbrett befestigt werden und so über der Decke "schweben".

Bild 13: Der Korpus einer Musima Record mit "German Carve"

Die elektrische Ausrüstung der "Record" entspricht der der "Elgita": Zwei breite "SIMETO"-Tonabnehmer mit Trickschalter und zwei Lautstärkeeinstellern. Die gesamte Elektronik sitzt auf einer Metallplatte, die mit Hilfe der Gewinde von Potentiometern und Schalter am Korpus befestigt werden.

Für ungeduldige Bastler ist die "Record" jedoch ein undankbares Objekt, denn die Elektronik kann nur durch die Öffnung neben der Halstasche ans Tageslicht befördert werden. Sind also entsprechende Arbeiten erforderlich, so muß der Hals zunächst abgenommen werden.

4.3. Die Musima 25 Serie

Diese Serie umfaßte insgesamt vier Instrumente. Angeblich soll sie dem 25. Jahrestag der DDR gewidmet worden sein. Ob dieses Gerücht jedoch wirklich stimmt...? Tatsächlich deuten die verwendeten Tonabnehmer auf eine Produktion seit frühestens 1974 hin, was diese Vermutung in gewisser Weise bestätigen würde.

Folgende Gemeinsamkeiten sind für die Instrumente dieser Serie auf Cheesy Guitars nachzulesen:

  • Zwei oder drei schmale einspulige "SIMETO"-Tonabnehmern mit sechs respektive vier Magnetpolen.
     
  • Korpus: Sperrholz
     
  • Finish: Sunburst
     
  • Hals: Buche, dreiteilig
     
  • Griffbrett: Buche (eingefärbt als Palisander- oder Ebenholzimitat), Nullbund, Plastik-Inlays, sehr schmale Bünde
     
  • Mechaniken: offen, sehr schlechte Qualität
     
  • Mischpult: Tonabnehmerwahlschalter, 4-Position-Varitone, Lautstärke, Tonblende
     
  • Anschlußbuchse wie bei der "Stratocaster"
     
  • Schwarze Schlagbretter

Im weiteren Verlauf wird jedoch noch deutlich werden, daß diese Aussagen vermutlich nicht ganz korrekt sind. Aber sehen wir uns einmal die 4 Instrumente an:

Bild 14: Die Musima 25 Serie

Die Musima Deluxe 25

Die "Deluxe 25" ist als Kopie der "Jazzmaster" oder "Jaguar" aufzufassen, die in den frühen 70er Jahren gebaut wurde. Ihre Mensur beträgt 640mm und ist damit ein wenig ungewöhnlich, denn sie orientiert sich weder an der "Stratocaster", noch an der "Les Paul". Mit umgerechnet 25,2" liegt sie da irgendwie in der Mitte. Hier die Beschreibung aus einem Katalog von 1982:

6-saitige Elektrogitarre mit vielseitigen Klangvariationen, 640mm Mensurlänge, Oberfläche furniert, formgerecht ausgearbeitet, Hochglanz poliert, Hals mit unsymmetrischem Schaufelkopf, verstellbarem Metallstab, aufgeschraubte Einzelmechanik, gewölbtes Palisandergriffbrett mit weißem Griffbrettrand, weiße Griffbretteinlagen, Neusilberbünde.
 
2 neuentwickelte leistungsfähige, in der Höhe verstellbare Tonabnehmer mit Einzelmagneten, die über den Dreistellungen-Kippschalter wahlweise einzeln oder zusammen eingeschaltet werden können. Trickschalter für Rhythmus-, Melodie- und Banjoeffekt, Volumenregler und Tonblende, höhenverstellbarer Steg mit separater Feineinstellung der Mensur.

Man sagt der "Deluxe 25" einen dünnen und höhenlastigen Klang mit sehr geringem Sustain nach. Für den Hals wurde ebenfalls die bekannte Zweipunktverbindung verwendet. Da die Halstasche nicht besonders tief ist, dürfte die "Deluxe 25" an dieser Stelle stark bruchgefährdet sein.

Die Musima Deluxe 25K

Dieses Instrument orientiert sich von der Form her an der bekannten "Les Paul", ist jedoch ein wenig schlanker. Im Katalog ist folgendes zu lesen:

Asymetrisches Modell, 6 saitig, 620mm Mensur, Oberfläche furniert, Korpus schattiert, Ahornhals mit nachspannbarem Metallstab, gewölbtes Palisandergriffbrett mit Einlagen, Weißer Decken,- Boden,- Griffbrett- und Halsrand. Einzelmechanik, ferromagnetischer Saitenbezug. Zwei neuentwickelte leistungsfähige, in der Höhe verstellbare Tonabnehmer mit Einzelmagneten, die über einen Dreistellungen-Kippschalter wahlweise einzeln oder zusammen eingeschaltet werden können.
 
Trickschalter für Rythmus,- Melodie- und Banjoeffekt, Volumenregler und Tonblende, höhenverstellbarer Steg mit separater Feineinstellung der Mensur.

Hier sind deutlich Diskrepanzen zur allgemeinen Spezifikation der Serie bei Cheesy Guitars festzustellen! Neben dem Unterschied bei den verwendeten Hölzern für den Hals wird in einer anderen Quelle von einer Mensur von nur 610mm gesprochen. Aufgrund dieser bemerkenswert geringen Mensur wird in einigen Quellen vermutet, daß das "K" für "Kindergitarre" steht. Allerdings ist die Mensur der "Deluxe 25K" für diese Anwendung immer noch deutlich zu groß, sodas diese Vermutung wohl eher unzutreffend sein dürfte.

Die Musima Eterna Deluxe 25

Färbt man das Griffbrett der "Deluxe 25" schwarz ein, um Ebenholz zu imitieren und fügt einen dritten Tonabnehmer nebst erweiterter Elektronik zu, dann erhält man die "Eterna Deluxe 25". Bei einem so aufwendigen Instrument darf dann natürlich auch ein Vibrato nicht fehlen. Hier der Ausschnitt aus dem Katalog:

Asymmetrische 6-saitige Elekrtogitarre, Oberfläche furniert, schattiert, Hochglanz poliert, Hals mit nachspannbarem Metallstab, unsymmetrischer Schaufelkopf, gewölbtes Ebenholzgriffbrett mit Einlagen, weißer Griffbrettrand, Neusilberbünde, höhenverstellbarer Steg mit separater Feineinstellung der Mensur.
 
3 neuentwickelte leistungsfähige, in der Höhe verstellbare Tonabnehmer mit Einzelmagneten. Über einen Dreistellungenschalter können die Tonabnehmer am Griffbrett und am Steg wahlweise einzeln oder gemeinsam eingeschaltet werden.
 
3 Schiebeschalter ermöglichen das Ein- und Ausschalten des Instrumentes, die Wahl zwischen Melodie- und Banjoeffekt sowie die Zuschaltung des mittleren Tonabnehmers. Für jeden Tonabnehmer ist ein Tonblendenregler vorhanden. Die Lautstärke läßt sich insgesamt und für den Banjoeffekt getrennt regeln.

Mit dieser Aussage und den Angaben von Karl-Heinz Neudel steht es 2:1. Folglich muß man die auf Cheesy Guitars zu lesende Aussage über das eingefärbte Griffbrett der "Eterna Deluxe 25" also zurückweisen.

Aufgrund dieser Spezifikation stellt das Instrument sozusagen das Spitzenmodell der Serie dar. Es war seinerzeit kaum in der DDR zu erhalten. Entweder wurden die Instrumente in den Westen exportiert, um Devisen zu beschaffen oder sie wurden aufgrund von Handelsabkommen mit der Sowjetunion an das sozialistische Bruderland geliefert.

Der Musima Deluxe 25B

Zu guter Letzt gab es noch den Baß "Musima Deluxe 25B" über den der Katalog sagt:

Elektro-Baß-Gitarre, 4-saitig, 800mm Mensurlänge, 1 Tonabnehmer (Hals) mit 4 Magneten und 1 Tonabnehmer (Steg) mit 8 Magneten.
 
Ein Dreistellungen-Kippschalter, 2 Tonblendenregler, 1 Volumenregler. Sonstige Ausführung wie Modell Musima de Luxe 25

Dieses Instrument stellt letztendlich nichts anders als die Baß-Version der "Musima Deluxe 25" dar, wie der Vergleich von Korpusform und Bedienelementen deutlich zeigt. Interessant ist die Mensur von 800mm (31,5"). Fender hat mit der Mensur seiner Long-Scale-Instrumente "Precision Bass" und "Jazz Bass" quasi einen Standard gesetzt. Sie beträgt 34", also 863,6mm. Die etwas älteren Bässe haben nur eine Mensur von 30" (762mm) und sind ihren längeren "Kollegen" aufgrund der Biegesteifigkeit der dicken Baßsaiten im Hinblick auf die Tonreinheit grundsätzlich unterlegen. Der "Deluxe 25B" gehört mit seiner Mensur also in die Gruppe der medium-scale Bässe.

4.4. Musima Elektra Deluxe

Die "Elektra Deluxe" scheint eine gewisse Verwandtschaft zur "Musima 25 Serie" aufzuweisen. Nach Cheesy Guitars gilt angeblich folgende Spezifikation:

  • Zwei breite einspulige "SIMETO"-Tonabnehmer.
     
  • Korpus: Sperrholz
     
  • Mensur: 640mm
     
  • Hals: Buche, dreiteilig
     
  • Griffbrett: Buche (eingefärbt als Palisanderimitat), Nullbund, Plastik-Inlays
     
  • Mechaniken: offen, sehr schlechte Qualität
     
  • Anschlußbuchse wie bei der "Stratocaster"

Über die Konfiguration des Mischpultes ist mir zur Zeit leider nichts bekannt.

Offensichtlich scheint es dieses Instrument in zwei Variationen zu geben. Wer etwas mehr Geld zur Verfügung hatte, konnte (mit Glück) ein Instrument mit Vibrato erwerben, dessen Bezeichnung dann ein "V" für Vibrator angehängt wurde. Hier ein Bild einer solchen "Elektra Deluxe V":

Bild 15: Musima Elektra Deluxe V aus den 70er Jahren

Neben dem Toggle-Switch, der mit Sicherheit zur Auswahl der Tonabnehmer dienen dürfte, existieren vier Drehknöpfe, über deren Funktion man spekulieren kann. Da eine Beschriftung fehlt, kann man davon ausgehen, daß der sogenannte "Trickschalter" hier nicht zur Anwendung kommt. Vermutlich liegt hier also die klassische HH-Schaltung vor, wie sie von der "Les Paul" bekannt ist.

Basierend auf den verwendeten Tonabnehmern wird die "Elektra Deluxe" vermutlich nicht vor 1974 produziert worden sein.

4.5. Migma Elektra Deluxe

Auch wenn die Namensgleichheit zur "Musima Elektra Deluxe" markant ist, so läßt sich die "Migma Elektra Deluxe" mit ihr nicht wirklich vergleichen. Hier ein Bild:

Bild 16: Migma Elektra Deluxe aus den frühen 60er Jahren

Zunächst fällt die unterschiedliche Form des Korpus ins Auge. Auch der Hals-Korpusübergang ist deutlich anders. Der eingeleimte Hals geht bereits am 14. Bund in den Korpus über. Bei der Migma ist das erst am 17. Bund der Fall.

Die drei Single-Coils von "SIMETO" sind schon von der "Musima Elgita" her bekannt. Folglich wurde die "Migma Elektra Deluxe" vor 1974 gebaut.

Besonders bemerkenswert ist der Steg. Diese Bauform findet man eigentlich nur auf Schlag- und Jazzgitarren. Er ist zwar in der Höhe verstellbar, ermöglicht aber leider nicht eine individuelle Einstellung der Oktavreinheit. Vermutlich wurde dieser Steg nur aus Gründen der Rationalisierung verwendet. Man sparte sich damit die Produktion einer deutlich aufwendigeren Brücke.

Das "Mischpult" ist mit dem der "Musima Eterna" zu vergleichen: Zwei Lautstärkeeinsteller für Solo- und Melodie, ein "Trickschalter" zur Tonabnehmerwahl, sowie ein weiterer Schalter für den mittleren Tonabnehmer.

Der Korpus erweckt zunächst den Eindruck, als ob hier ein Stück massives und exotisches Holz verwendet wurde. Schaut man sich den Korpus allerdings etwas genauer an, so kommen doch gewisse Zweifel auf.

Bild 17: Korpus der Migma Elektra Deluxe

An der Zarge der Cutaways ist ein gänzlich anderer Verlauf der Maserung festzustellen und an der Kante zur Rückseite ist ein deutlicher Übergang zu erkennen. Fast scheint es so, als ob das eigentliche Korpusholz unter einem Furnier oder gar einer Kunststoffschicht verborgen wurde. Tatsächlich wurde der Korpus mit farbigem Zelluloid beschichten, wie es auch beim Bau von Akkordeons verwendet wurde.

4.6. Es geht auch modern - die Musima Lead Star

Nachdem in den 80er Jahren die "Superstrat" modern wurde, verschwanden weltweit bei vielen Herstellern nach und nach die alten, eigenständigeren Modelle. Man paßte sich eben den Anforderungen des Marktes an. Die Vorstufe stellt die sogenannte "Rockstrat" dar, eine Elektrogitarre in Form der "Fender Stratocaster", bei der an der Stegposition ein Humbucker eingebaut wurde. Diesem Trend stellte man sich bei "Musima" offensichtlich auch nicht entgegen und so findet man in den 80ern dort unter anderem diese "Lead Star":

Bild 18: Musima Lead Star mit HSS-Konfiguration

Dieses Instrument könnte so auch in irgendeiner anderen Fabrik irgendwo auf der Welt produziert worden sein. Die Ähnlichkeit zur "Stratocaster" ist unverkennbar! Die "Lead Star" gab es sowohl mit den klassischen drei Single-Coils, also auch in der hier gezeigten HSS-Konfiguration. Auffallend sind das typische Fehlen des Pickguard sowie die etwas altertümlich wirkende Halseinstellschraube am Halsfuß.

Neben diesen beiden, eher als traditionell zu bezeichnenden Formen, gibt es noch weitere Varianten mit abgewinkeltem "Jackson"-Kopf und einem Korpus der noch mehr in Richtung "Superstrat" geht.


5. Sammlung und "Ostalgie"

Bis vor wenigen Jahren waren Elektrogitarren aus der DDR oder anderen Ostblockländern in der alten Bundesrepublik Deutschland quasi unbekannt. Dieses änderte sich erst im Zuge der Wende. Jetzt konnten sich die ostdeutschen Musiker endlich mit den langersehnten West-Gitarren eindecken. Die heimischen Instrumente wanderten dann auf den "Dachboden" oder wurden auf Flohmärkten verkauft und fanden so teilweise ihren Weg in den Westen.

Mittlerweile sind diese Instrumente jedoch für einige Sammler interessant geworden. Je nach Zustand werden für so eine alte Ost-Gitarre durchaus Preise bis zu 500 Euro gefordert! Gerade Händler sind da schnell mit "Mondpreisen" bei der Hand. Sammlerwert und Gebrauchswert sind eben zwei Dinge, die nicht unbedingt zusammenpassen!

Manchmal werden die alten Instrumente auch von ihren Besitzern im Zuge einer Rückbesinnung oder eines akuten Anfalls von "Ostalgie" wieder hervorgeholt. Häufig wird dann jedoch kein besonders guter Zustand festgestellt und damit beginnen die Probleme. Da die Qualität der verwendeten Bauteile in der Regel nicht besonders hoch ist, machen Verschleiß und Korrosion die Instrumente teilweise unspielbar oder zumindest optisch unansehnlich.

Bild 19: Korrosion an den Tonabnehmern einer Migma Elektra Deluxe

Eine eventuell notwendige Reparatur gestaltet sich schwierig, da es Ersatzteile von den Herstellern heute natürlich nicht mehr gibt! Ein Tausch gegen moderne Bauteile muß man im Hinblick auf den Verlust an Originalität eigentlich ablehnen und häufig passen diese neuen Teile auch gar nicht. Da ist dann guter Rat teuer! Ein gelernter "Ossi" hat es da mit seinem ausgeprägten Improvisationstalent natürlich leichter, als der sammelnde "Wessi"! Tja, manchmal kann es auch von Vorteil sein, wenn man von "drüben" ist!

Wer die Anschaffung eines solchen Instrumentes erwägt, um damit tatsächlich Musik zu machen, der sollte sich sehr gut informieren und die Erwartungen nicht zu hoch schrauben. Ein Korpus aus Sperrholz oder zumindest aus anderen, im Gitarrenbau ungewöhnlichen Hölzern ist bei einigen Instrumenten unter Umständen durchaus zu erwarten. Die verwendeten Mechaniken sind zumindest so gut, daß sie die Saiten in Position, aber nicht lange in Stimmung halten und auch von den Tonabnehmern darf man angeblich nicht zuviel erwarten.

Bild 19: Die offenen Mechaniken einer Migma Elektra Deluxe

Unter dem Strich wird man heute mit einer neuen Elektrogitarre eines renommierten Markenherstellers im Preisbereich von 200 Euro ein deutlich besseres Instrument erhalten. Investitionen zur Aufrüstung einer alten Ost-Gitarre sollte man sich also gut überlegen. Die Wahrscheinlichkeit, daß man sein Geld zum Fenster hinauswirft ist nicht gerade gering! Anders sieht es natürlich aus, wenn es darum geht, das betreffende Instrument als "Zeitzeugen" zu erhalten.


Fazit

Eigentlich hatte ich nur ein paar Informationen über mir vorliegende Tonabnehmer einer "Musima Record" suchen wollen. Daß, nach einigen Wochen Recherche, daraus dann dieser Artikel wurde, war eigentlich nicht geplant. Erst recht nicht, da mich das Thema ursprünglich nicht interessierte. Heute muß ich meine Meinung jedoch revidieren. Es hat Spaß gemacht und es hat sich gelohnt!

Auch wenn viele Brettgitarren aus der ehemaligen DDR nicht den westlichen Standards entsprachen, so sollte man nicht pauschal die Nase rümpfen, denn auch hier gab es solche und solche! Spätestens, wenn man auch die sogenannten Schlag- oder Jazzgitarren in die Betrachtung mit einbezieht wird klar, daß auch "drüben" durchaus gute Instrumente gebaut wurden, die sich hinter einer Höfner, Framus oder Hoyer nicht verstecken mußten! Unabhängig von der Qualität der einzelnen Instrumente sind sie jedoch alle ein wichtiger Bestandteil des deutschen Instrumentenbaus seit dem Krieg und allein aus diesem Grund wert, daß man sich mit ihnen und der Geschichte ihrer Erbauer beschäftigt!

Unglücklicherweise steht die Vielfalt der Instrumente in einem sehr krassen Gegensatz zu der recht dürftigen Informationslage und so sollten die Bestrebungen dahin gehen, das Wissen der verfügbaren Quellen umgehend zusammenzufassen. Viel Zeit bleibt für diese Aufgabe jedoch nicht. Geht man davon aus, daß zum Beispiel ein Mitarbeiter von "Musima" zur Wendezeit fünfzig Jahre alt und seit dreißig Jahren für die Firma tätig war, dann ist er heute bereits siebzig! Spätestens in zwanzig Jahren werden die wenigen Quellen, die noch über Informationen aus erster Hand verfügen, für immer verstummt sein! Hier ist also Eile geboten, denn immerhin reden wir über Firmen, die in der Regel seit mindestens zwanzig Jahren nicht mehr existieren!

Die anstehende Aufgabe erscheint auf den ersten Blick unlösbar, jedoch steht heute in Form des Internet ein schnelles Medium zur Verfügung, mit dessen Hilfe die gefundenen Informationen vernetzt und publiziert werden können. Eine mögliche Plattform könnte das Musikinstrumentenmuseum Markneukirchen darstellen, dessen Internetpräsenz auch über ein Forum verfügt. Viele Informationen in diesem Artikel wurden dort recherchiert. Wer also über Informationen verfügt, wird dort mit Sicherheit auf dankbare Abnehmer treffen.

Leider haben viele Instrumente die letzten dreißig oder gar vierzig Jahre nicht besonders gut überstanden. Teilweise wurden sie von ihren Besitzern so stark modifiziert, daß nicht mehr nachzuvollziehen ist, um welches Instrument es sich ursprünglich gehandelt hat. Auch die Tatsache, daß viele Gitarren ihren "Lebensabend" jetzt auf irgendwelchen Dachböden, in Kellern oder Garagen unter klimatisch ungeeigneten Bedingungen verbringen, ist im Grund genommen ein unhaltbarer Zustand, denn auf diese Weise werden sie unrettbar geschädigt oder gar zerstört. Wer also noch im Besitz eines solchen "ungeliebten" Instrumentes ist, sollte sich überlegen, es vielleicht in andere Hände zu geben, die bereit sind, den Erhalt für die Nachwelt sicherzustellen. Auch hier kann das eben genannte Forum eine Hilfestellung sein.

Zum Schluß zwei Klangbeispiele einer alten "Ost-Lady". So schlecht ist das ja eigentlich nicht oder?


Quellen

Für diesen Artikel wurden unzählige Links im Internet ausgewertet und die Inhalte gegeneinander abgeglichen. Sie alle aufzuführen, würde den Rahmen dieses Artikels bei weitem sprengen. Hier also nur die wichtigsten Quellen:

Quelle Bemerkung

Forum des Musikinstrumentenmuseums Markneukirchen

Wenn es um Informationen über Musikinstrumente aus dem Vogtland geht, ist dieses kleine Forum ein guter Start für eine Recherche.

Schlaggitarren.de

Stefan Lob beschäftigt sich hauptsächlich mit Schlaggitarren. Da dürfen Informationen zum Thema "Musima & Co" natürlich nicht fehlen!

UWE SCHUBERT Musikinstrumente und Zubehör, Gitarrenreparaturwerkstatt

Unter "Privat" - "Gitarrensammlung" findet man einige Hinweise zu verschiedenen Musima-Elektrogitarren.

Cheesy Guitars

Auf dieser englischsprachigen Site geht es allgemein um Gitarren aus osteuropäischer Produktion. Natürlich sind dort auch einige ostdeutsche Gitarren vertreten.

An Musima Markneukirchen tut sich in diesem Jahr nichts

Ein Artikel von Ronny Hager für freiepresse.de über die aktuelle Situation des alten Musima-Gebäudes vom 05.01.2010.


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Leserkommentare zu diesem Artikel

Datum Quelle Kritiker

09.01.2010

Musiker-Board

peter55

Tolle Fleißarbeit, sehr interessant zu lesen!

09.01.2010

Musiker-Board

guitarneedle

Nicht gut, sondern SEHR GUT!

09.01.2010

Musiker-Board

Damn Dan

Ich bin entzückt, habe draufgegklickt und verschlinge soeben.

09.01.2010

Musiker-Board

RobbinCrosby

Sehr interessant! Wieder was dazu gelernt.

09.01.2010

guitarworld.de

V.H.

Schön recherchiert und umfangreich

09.01.2010

Forum des Musikinstrumentenmuseums Markneukirchen

Heidrun Eichler

Ich bin ehrlich begeistert!

10.01.2010

guitarworld.de

THB

Sehr schöner - und vor allem auch - (wirtschafts-)kritischer Artikel.

10.01.2010

Forum des Musikinstrumentenmuseums Markneukirchen

matse

Endlich wird ausgesprochen,was schon seit Jahren hätte ausgesprochen werden sollen.

10.01.2010

Musiker-Board

Rockopa

Sehr interessant, guter Beitrag

07.01.2014

Mail

Peter H.

Dank ihres tollen Artikels weiß ich nun endlich, welche Gitarre ich kurz nach der Wende in der (gerade im Untergang bedindlichen DDR) als Pfand gegen private Schulden bekommen habe, das Pfand wurde aber nie eingelöst und die Gitarre blieb bei mir. Die Gitarre hing dann über 20 Jahre bei mir an der Wand, da ich selber nur Hobbymäßig Bass spiele, bis mein inzwischen 12jähriger Sohn mit dem Gitarre-Spielen anfing.


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