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Cimar-Strat: Halskorrektur

Wir schreiben das Jahr 1983. Ein unbekannter Schüler und hoffnungsvoll angehender Gitarrist betritt das Geschäft von Zinngrebe in Hamburg Wandsbek.

Abbildung 1: Früher war ein Bübchen zart...

Eigentlich will er nur mal schauen, was es denn so neues gibt. Da fällt sein Blick auf eine braune "Stratocaster". Zufällig steht da auch ein JC-120 (Ja, die sagenhaften Transistor-Teile mit dem eingebauten Chorus. Das war damals schon was!). Nur wenige Minuten später hat unser Schüler die Gitarre um den Hals gehängt und die ersten Akkorde perlen aus dem JC....

Abbildung 2: ... das sich keinen der heute legendären JC-120 von Roland leisten konnte

"Gar nicht mal so schlecht!", denkt unser Schüler, der mit seinen 19 Lenzen noch in die Kategorie "unwissender Bengel" einzuordnen ist. Damals gab es noch kein Internet, da wurde "live" verhandelt. Eigentlich sollte die Strat von der Firma Cimar 650DM kosten. "Aber kuck ma hier, da hat sie 'n klein' Fehler im Lack! Is aber nich so schlimm!", meinte der Verkäufer. 495DM und sie würde unserem Schüler gehören...

Wie die Geschichte ausgeht, kann sich wohl jeder ausrechnen. Gestärkt durch zahlreich gegebene Nachhilfestunden stand die Cimar zwei Tage später im Keller unseres Schülers, direkt neben einer weinroten Aria Pro II ES-700!

So nett die Cimar auch war, so konnte sie sich doch nie wirklich aus dem Schatten der ES-700 lösen, die der Schüler stets bevorzugte und so war sie das Backup und wurde nur bei wirklich dringenden Strat-Anlässen aktiviert.

Wer war bloß dieser Gitarren-Banause?

Wir schreiben das Jahr 2002. Es gibt mal wieder einen Grund die Cimar-Strat zu bewegen. Unser Schüler bewegt sich auch, jetzt allerdings ein wenig langsamer. Mit 38 Jahren geht man die Dinge eben schon ruhiger an.

Abbildung 3: Einer der seltenen "Strat-Anlässe" im Jahre 2002

In den hohen Lagen war das irgendwie merkwürdig. Fast schien es so, als ob man dauernd von der hohen E-Saite runterfallen würde. "Komisch!", dachte der Onkel, denn nur um den handelt es sich hier. "Da muß ich bei Gelegenheit mal nachsehen!" Sprach's und packte die Cimar nach dem Gig wieder in den Koffer und dann in den Keller. So ein Gitarren-Banause!

Wir schreiben das Jahr 2008. Seit vier Jahren ist der Onkel auch online unterwegs und hat mehrere hundert Artikel und Beiträge zum Thema Elektrogitarre und Gitarrenelektronik verfaßt. In die Kategorie "unwissender Bengel" paßt der Onkel also nicht mehr so ganz hinein.

In einer schöpferischen Pause wandert sein Blick vom Monitor nach rechts zum Regal. Da hängt die Cimar-Strat. "Komisch sieht die ja irgendwie aus!", denkt unser Onkel und sein Interesse ist geweckt.

Abbildung 4: Da stimmt doch was nicht! Aber was?

Mit geübten Blick folgt die erste Analyse, aus der sich folgende Fragen ergeben:

  1. Warum sind die Pole der Pickups denn nicht unter der E-Saite?
     
  2. Die hohe E-Saite verläuft in den hohen Lagen schon fast an der Halskante (da war doch mal was?)

Erste Schlußfolgerung: "Die Blödmänner haben die Brücke falsch positioniert! Die sollte man doch gleich..."

Und es folgen eine ganze Reihe nicht druckfähiger Begriffe aus des Onkels reichhaltigem Repertoire.

Also flugs einen Draht her und mal peilen, wie weit man die Brücke nach oben versetzen muß. Junge, Junge, mit einem halben Zentimeter wird man da wohl nicht auskommen! Aber halt! Jetzt sind zwar die Pole des Halstonabnehmers unter dem Draht, aber beim Stegtonabnehmer paßt es nun nicht mehr richtig. So geht das also nicht!

Zweite Schlußfolgerung: Der Hals ist schief!

"Na, das kann ja lustig werden!", dachte der Onkel und sah sich schon eine große Rechnung beim Gitarrenbauer seines Vertrauens begleichen. Aber vielleicht...

Also wurde der Hals gelöst. Jetzt konnte man ihn in der Halstasche bewegen und optimal ausrichten. Tatsächlich fand sich die richtige Position. Nur leider paßten jetzt die Schraublöcher im Hals nicht mehr!

Der Plan sah dann wie folgt aus:

  1. Schraublöcher auf 8mm aufbohren
     
  2. Geeignete Holzdübel auf Länge bringen und einleimen.

Was benötigt wird, zeigt das folgende Bild:

Abbildung 5: Material für das Projekt

Neben einem scharfen Holzbohrer mit 8mm Durchmesser werden 4 Holzdübel benötigt. Für das später notwendige Markieren der neuen Bohrlöcher gibt es ein "Dübelfix" von der Firma Wolfcraft. Sie sollten dem Durchmesser der Bohrlöcher im Korpus entsprechen. Es gibt sie mit 6, 8 und 10mm Durchmesser. Vermutlich gibt es ähnliche Produkte auch von anderen Herstellern. So ein Vierer-Set schlägt dann mit maximal 2 Euro zu Buche.

Beim Bohren sollte man unbedingt einen Anschlag verwenden, um nicht im Eifer des Gefechtes durch das Griffbrett zu bohren! Wie tief man tatsächlich bohren kann, läßt sich leicht anhand der alten Löcher ermitteln. Man verwendet dazu eine sogenannte Schieblehre, die im Volksmund auch als "Meßschieber" bezeichnet wird:

Abbildung 6: Meßschieber in Einfach- und Luxus-Ausführung

Die hier gezeigte elektronische Variante wurde auch schon für kleines Geld bei Feinkost-Albrecht gesichtet. Für diesen Anwendungsfall reicht jedoch auch schon eine einfache Version aus Kunststoff, die man für gut 2 Euro im Baumarkt kaufen kann, denn hier kommt es ja nicht auf Präzision im Mikrometerbereich an.

Als Leim kam der gute Tidebond zum Einsatz, weil er gerade zur Hand war. Das altbekannte Ponal würde in diesem Fall jedoch auch gute Dienste geleistet haben. Es kommt eher darauf an, den Leim auch vollständig durchtrocknen zu lassen, bevor man weiterarbeitet!

Beim Aufbohren der Löcher muß man nicht besonders genau arbeiten. Hauptsache das Loch wird gerade und nicht zu tief. 6 bis 8 mm sollten in der Regel ausreichend sein. Anschließend werden die Dübel auf die gewünschte Länge gebracht. Dann kommt Holzleim auf den Dübel und in das Bohrloch und der Dübel wird hineingesteckt und eventuell mit einem leichten Hammerschlag "versenkt" Der überflüssige Leim quilt dann aus dem Loch und kann mit den Fingern oder einem Lappen entfernt werden.

Aber Achtung! Der Dübel darf gerne etwas stramm sitzen. Zuviel ist jedoch auch nicht gut! Wenn der Dübel zu groß ist, entstehen Spannungen im Holz, die mit der Zeit zu Rißbildungen führen können. Wer es damit übertreibt, kann unter Umständen den Halsfuß quasi "sprengen"!

Bei einem anderen Anlaß hat der Onkel etwas zu tief gebohrt. Bei Versenken der Dübel kam der Leim dann an den Bundstäbchen heraus. Düvel noch mal too! Dat wer toveel!

Hier das Resultat der ersten Arbeitsschritte. Die leicht überstehenden Dübel sind deutlich zu erkennen:

Abbildung 7: Die Dübel sind eingeleimt...

Nach einem Tag Trocknungszeit wurde die Oberfläche mit den Schwingschleifer wieder etwas "planiert", damit der Halsfuß möglichst vollflächig auf dem Boden der Halstasche aufliegt. Herausstehende Dübel führen wieder zu unnötigen Spannungen und sind daher "Igitt"! Die schon vorher existierenden Krater konnte so natürlich nicht entfernt werden, aber das störte den Onkel nicht.

Abbildung 8: ... und abgerichtet

Der wohl anspruchsvolle Teil dieser Arbeiten ist die Ausrichtung des Halses. In der Theorie stellt die Mittellinie des Halses die Verlängerung der Korpusmittellinie dar. Man kann jetzt daran gehen, die entsprechenden Linien zu ermitteln oder man macht es "frei Schnauze". Ganz so locker sollte man es jedoch auch nicht nehmen, denn am Ende soll das ganze ja spielfähig und besser sein als vorher!

Zur Ausrichtung wurde der Hals in die Halstasche gelegt und die beiden E-Saiten gespannt. Sie lagen dabei natürlich in ihren Positionen in Sattel und Steg. Anschließend wird der Hals ausgerichtet, indem man ihn, wie im folgenden Bild gezeigt, bewegt:

Abbildung 9: So wird der Hals ausgerichtet

Bei dieser Prozedur ist darauf zu achten, daß einerseits beide Saiten möglichst parallel zur Kante des Griffbretts verlaufen und andererseits die Saiten auch möglichst über den Polen der Tonabnehmer liegen. Hier muß man eventuell einen kleinen Kompromiß eingehen. Allerdings ist eine ordentliche Positionierung der Saiten am Griffbrettrand wichtiger, als der mittige Verlauf über den Magnetpolen!

Ist die beste Stellung gefunden, dann müssen die Positionen für die Löcher markiert werden. Der Einsatz eines Dübelfix ist zwar ganz nett, setzt jedoch voraus, daß der Halsfuß noch einmal abgehoben wird. Ich habe mir das gespart und gleich zur Leimzwinge gegriffen.

Abbildung 10: Leimzwinge zur Fixierung

Mit ihrer Hilfe wurde der Hals in der Halstasche fixiert. Dann kam die Bohrmaschine zum Einsatz, denn die Löcher für so große Schrauben sollte man immer vorbohren! Andernfalls läuft man Gefahr, daß das Holz reißt. Wie groß der Durchmesser der Bohrung sein muß, hängt vom Durchmesser der Halsbefestigungsschrauben ab. Als Daumenwert wird häufig 70% bis 80% des Nenndurchmessers der Schraube genannt.

Im Zweifellsfall sollte man lieber etwas zu klein bohren, denn wenn es zu groß ist, beginnt man wieder beim Einleimen der Dübel. Und dem Motto "Loch an Loch und hält doch." sollte man in diesem Zusammenhang wirklich nicht die Treue halten!

Für die Bohrung wurden die existierenden Löcher im Korpus als Führung benutzt. Wichtig ist hier wieder der Anschlag. Als Daumenwert für die Bohrtiefe kann man von der Korpusdicke an der Halstasche plus der schon vorher ermittelten Tiefe der alten Bohrungen im Halsfuß ausgehen.

Anschließend kann der Hals wieder montiert werden. Eine Überprüfung von Halskrümmung, Saitenlage und Oktavreinheit runden das Bauvorhaben ab.

"Und, hat es was gebracht?" wird man jetzt sicherlich fragen. Sehen Sie selbst...

Abbildung 11: Die Saiten laufen über die Pole der Fender Noiseless. So soll es sein!

Nun hängt die Cimar wieder am Regal, bis zum nächsten Strat-Anlaß.

Abbildung 12: Die Cimar 2070MH nach der Reparatur

Der Onkel ist eben ein echter Gitarren-Banause!

Daß meine Cimar-Strat auch einen "richtgen" Namen hat, habe ich mittlerweile herausbekommen. Hier ist zu diesem Thema mehr zu lesen.


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Leserkommentare zu diesem Artikel

Datum Quelle Kritiker

11.07.2008

Musiker-Board

bernhard42

Zu diesem Anzug kann keine Gitarre so gut passen, wie die Mahagoni-Cimar! Edel!


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